Veranstalter hatten Probleme, genügend Redner für die „Das bin ICH!“-Reihe zu finden
BABENHAUSEN: Direkt in der Woche nach der Bundestagswahl hat die vierte Runde der Veranstaltungsreihe „Das bin ICH!“ im Babenhäuser Jugendzentrum stattgefunden. Diesmal wurde der Blick auf ein Grundrecht geworfen, das selbstverständlicher erscheint, als es für viele Menschen ist: Nicht das Wahlrecht, sondern die Meinungsfreiheit.
Nicht für alle Menschen ist Meinungsfreiheit etwas Selbstverständliches. In der Veranstaltungsreihe „Das bin ICH!“ haben diese Woche Personen verschiedener Herkunft im Babenhäuser Jugendcafé über unterschiedliche Formen der Meinungsfreiheit in den unterschiedlichen Phasen ihres Lebens erzählt. Sie erzählten dabei von unterschiedlichen Systemen – in Deutschland und anderswo. Jedoch hatten die Veranstalter – Bachgauschule, städtische Kinder- und Jugendförderung sowie das Babenhäuser „Büro für Erinnerungskultur“ kooperierten – arge Probleme, genügend Redner zu finden. „Das ist natürlich äußerst bedenklich“, sagte Jugendpfleger Michael Spiehl vor den fast 30 anwesenden Personen. Gerade Flüchtlinge und Türken hätten abgesagt – aus Angst vor den Folgen. Umso mehr freute er sich über die vier Redner, die sich bereit erklärt haben, von ihren Erfahrungen zu berichten. Darunter auch ein Flüchtling aus Afghanistan, der erst vor fast zwei Jahren nach Deutschland kam. Anhand von Bildern erzählte Rasul P. (Name von der Redaktion geändert) in gebrochenem, aber doch gutem Deutsch – wenn man bedenkt, dass er noch keine zwei Jahre in Deutschland lebt – von den Zuständen in seiner Heimat und wie gefährlich es ist, dort frei über seine Meinung zu reden. Selbst innerhalb der Familie trauten sie sich das nicht. Aus Angst vor den Folgen, die einem unter anderem das Leben kosten konnten. Von der Regierung und den Taliban unterdrückt, haben vor allem Frauen wenige bis gar keine Rechte. Beziehungen sind bis zur Hochzeit tabu, auch hier droht sonst die Todesstrafe. Schließlich stünde die Ehre der Familie auf dem Spiel. Und wenn der Ehre geschadet wird, wird die Familie geächtet und kann sich in der Öffentlichkeit nicht mehr blicken lassen. Die in Afghanistan lebenden Menschen, werden nicht nur in ihrer Meinungsfreiheit, sondern auch in vielen anderen Bereichen ihres Lebens unterdrückt – gerade die Frauen. Auch in der „Schule“, für die es auf dem Land oft keine Gebäude gibt, sondern wo der Unterricht meist unter freiem Himmel stattfindet, dürfen sie beispielsweise keine anderen Sprachen lernen. „Wir lernen zwar viel, dürfen es aber nicht umsetzen“, erklärte Rasul.
Nicht ganz so extrem sind die Verhältnisse im Iran, wie Haideh Klar betonte. In Teheran aufgewachsen, kam sie 1970 nach Deutschland. Zwar dürfen die Einwohner auch im Iran nicht immer öffentlich ihre Meinung kundtun, doch zumindest sei Kritik – auch auf den Straßen – erlaubt. Zum Problem wird es erst dann, wenn sich die Presse kritisch äußert, Parteien gegründet werden oder die Leute sich öffentlich versammeln und sich gegen die Regierung stellen. Doch zumindest dürfen sie frei ihre Meinung sagen und sich offen unterhalten, ohne schwere Folgen erwarten zu müssen.
Etwas strenger waren die Regeln dann doch in der ehemaligen DDR. Elke Bergerin erzählte von ihrer Kindheit im geteilten Deutschland. Ein Teil ihrer Familie lebte im Westen, sie mit einem anderen Teil im Osten. Zwar bestand Kontakt, doch davon durfte niemand erfahren. Sie als Kind verstand das selbst nicht so recht. Es war toll, Geschenke von ihrem Onkel aus dem Westen zu bekommen, sagte sie. Doch davon durfte niemand wissen. Spielsachen mussten zu Hause bleiben, schließlich war der Kontakt eine heikle Sache – vor allem, weil die Eltern im Öffentlichen Dienst arbeiteten. Der Vater als Lehrer und die Mutter als Erzieherin mussten schließlich den Gedanken des Sozialismus weitergeben. Auf der Straße hörte man keine Kritik, nur im engsten Kreis der Familie konnte man frei reden. In der Gesellschaft wurde nur gesagt, was andere hören wollten.
Auch Jugendarbeiter Günther Titz erzählte von seiner Zeit als Kind in Rumänien. So denkt er alles in allem an eine positive Kindheit zurück. Vor allem erinnert er sich in Bezug auf Meinungsfreiheit an tuschelnde Erwachsene auf der Straße. Wenn sie leise redeten, war klar, dass sie sich über Themen unterhielten, die öffentlich nicht gesagt werden durften.
Seine Meinung tat auch Babenhausens Bürgermeister Joachim Knoke kund: „Seine Meinung sollte man äußern dürfen. Äußern und darüber reden. Auch, um andere Blickwinkel kennenzulernen. Eine Meinung kann ja auch geändert werden.“
Quelle: vgl. OP vom 29. September 2017 von Lars Herd